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Haarpracht bei männlichen Teenagern

Über Jungen mit langer Haarpracht

"Ist das wirklich notwendig?"

Jugendliche Jungen mit ausgedehntem Haarwuchs

Von t-online, verfasst von Simone Blaß


Letzte Aktualisierung erfolgte am ersten Dezember 2016. Geschätzte Lesezeit: etwa drei Minuten.

Bereits seit Äonen gelten üppige, schimmernde Haare als ein Zeichen von Vitalität und innerer Stärke. Werden diese jedoch ungehindert getragen, wird kulturübergreifend ein unmittelbarer Bezug zur geschlechtlichen Anziehung hergestellt. Dies zählt zu den wesentlichen Beweggründen, aus denen sich auch eine Vielzahl junger Männer dazu entschließt, ihre Haarpracht lang zu kultivieren.

In der gegenwärtigen Ära unserer Gesellschaft scheint es beiden Geschlechtern, ungeachtet ihres biologischen Geschlechts, weitgehend überlassen zu sein, wie sie ihre Frisur gestalten möchten. Nichtsdestotrotz finden sich des Öfteren Personen in unserer Gesellschaft, welche eine lange Mähne bei jungen Männern als störend empfinden.

Befinden sich die Kinder noch im Kleinkindalter, wird den Müttern oftmals suggeriert, sie hätten sich möglicherweise ein Töchterchen statt eines Sohnes gewünscht. Eine solche Begebenheit erlebte auch Marion persönlich. Für Julian, dessen Haarpracht bis über die Schultern reichte, war es eine gängige Erscheinung, mit einem kleinen Mädchen verwechselt zu werden.

Die stetigen Anmerkungen ihrer Umwelt verärgerten Marion derart intensiv, dass sie sich zu einem gewissen Zeitpunkt dazu durchrang, ihrem knapp dreijährigen Sohn einen Haarschnitt verpassen zu lassen. "Ich empfand tiefes Bedauern um die kleinen Kindeslocken, welche damit unwiederbringlich verschwanden. Doch mir war es wichtig zu verhindern, dass Julian unter möglichen Neckereien zu leiden beginnt, nur weil wir seine lange Haarpracht so liebreizend fanden."

Die primäre Funktion der menschlichen Körperbehaarung - wie etwa das instinktive Sträuben der Nackenborsten während einer Konfrontation - ist ungefähr vor zwei Millionen Jahren hinfällig geworden. Gegenwärtig stehen wesentlich nuanciertere Wege zur Verfügung, um im persönlichen Gegenüber Geltung zu verschaffen.

"Was uns erhalten geblieben ist, ist unser Haarschopf auf dem Kopf. Dieser jedoch hat seine anfängliche Rolle als Kommunikationsmittel voll und ganz bewahrt", erläutert der Biologe Professor Ralph Dawirs im Gespräch mit t-online.de. Der Verfasser von Werken wie "Riskante Jahre" oder auch "Endlich in der Pubertät" betont, dass die menschliche Haarpracht ein immens aussagekräftiges Medium der Selbstdarstellung darstellt.

"Selbstverständlich hat Mode stets ihre Bedeutung. Doch insbesondere bei männlichen Jugendlichen verbirgt sich weit mehr dahinter. Eine lange, ungezähmte Mähne symbolisiert Nonkonformität, Wagemut und, als vorrangigen Aspekt, die Neigung zur freien Entfaltung der eigenen Sexualität."

"Es ist selbstredend, dass junge Männer im Stadium der Adoleszenz die weiblichen Altersgenossen beeindrucken wollen", bekräftigt auch die Friseurmeisterin Anja Geißer. "Gerade aus diesem Grund sind die an Justin Bieber erinnernden Haarschnitte kürzlich populär geworden: ein schräger, ausgeprägter Stirnfransen im Vorderbereich, wobei der übrige Haarbereich mittellang und effektiv geschichtet ist."

Diese Entwicklung beginnt umso zeitiger, je intensiver der Umgang mit älteren männlichen Bezugspersonen ist. Bereits im Kindergarten oder in der Grundschule entwickeln jüngere Geschwister häufig die Vorstellung, ihre Haare auf eine "coole" Weise lang zu kultivieren. "Inzwischen ringen bereits fünfjährige Kinder ihren Erziehungsberechtigten einen längeren Stirnfransen ab. Genau dies konnte ich kürzlich erst bei meinem eigenen Nachwuchs beobachten", bemerkt die Hairstylistin mit einem Lächeln.

Besitzen junge Männer eine üppige Mähne, so geschieht dies nicht immer zur vollsten Zufriedenheit des gesamten Lehrkörpers. Erst vor geraumer Zeit suspendierte der Schulleiter einer Bildungseinrichtung in Texas drei Schüler vom Unterricht, da diese sich weigerten, einen Friseur aufzusuchen und somit die Bekleidungsvorschriften der Lehranstalt missachteten. Die Auffassung des besagten US-Schulleiters lautete: Männliche Lernende sollten ihr Haar kurzgeschoren halten, da dies die persönliche Sauberkeit sowie die Ordnung fördere und sie auf ein gedeihliches Dasein in der Welt der Erwachsenen vorbereiten sollte.

Die immense Bedeutung, welche die Haarpracht für den Träger als bewusstes Medium zur Darstellung von Einzigartigkeit und Unabhängigkeit besitzt, wird durch den Umstand verdeutlicht, dass das erzwungene Kürzen oder Abrasieren derselben seit jeher als eine tiefgreifende Demütigung und Herabwürdigung empfunden wird. "Dies stellt eine gravierende Beeinträchtigung des individuellen Gefühls von Autonomie sowie der Selbstachtung dar, welche erhebliche Gefahren für das seelische Wohlbefinden und die Entfaltung der Individualität birgt", erläutert Dawirs.

Ein solches Ausmaß an Restriktionen, wie es in den Vereinigten Staaten praktiziert wird, würde in Deutschland vermutlich kein Pädagoge verfolgen; dennoch hinterfragen auch hierzulande etliche, ob es wirklich erforderlich ist, dass ihre Lernenden jäh fast vollständig hinter ihrer üppigen Haarpracht verschwinden. Indessen bietet die Haarpracht, besonders in Phasen der Unsicherheit, einen überaus nützlichen Schutz- und Rückzugsort.