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Abgeschlagenheit und Übergewicht

Wenn stark adipöse Personen über chronische Erschöpfung und Energielosigkeit klagen, muss nicht zwangsläufig eine Depression der Auslöser sein. Zusätzlich zu einer häufig auftretenden, schlafassoziierten Atemstörung (Schlafapnoe) kann auch eine seltenere Krankheit vorliegen: das sogenannte Adipositas-Hypoventilationssyndrom (kurz OHS, aus dem Englischen obesity hypoventilation syndrome), welches sich mit einer nicht-invasiven Ventilation erfolgreich behandeln lässt. Dies betonen die Pneumologen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). „Beim OHS führt die ineffiziente beziehungsweise unzureichende Atemfunktion des Patienten zu einem Anstieg des Kohlendioxid-Levels (CO2-Partialdrucks) im Blut', erläutert PD Dr. Michael Dreher, Experte für Beatmung am Universitätsklinikum Freiburg und Oberarzt in der Abteilung Pneumologie und im Schlaflabor. Jene sogenannte Hyperkapnie kann durch eine Blutgasanalyse simpel festgestellt werden. Demnach sind bei übergewichtigen Patienten (mit einem BMI > 30kg/m2), die nicht unter einer chronisch-obstruktiven oder restriktiven Lungenerkrankung leiden, Hyperkapnie-Werte von mehr als 45 mmHg tagsüber ein starker, verdächtiger Hinweis auf das Hypoventilationssyndrom.

Nicht-invasive Überdruckbeatmung muss unbedingt konsequent angewendet werden

Das Hypoventilationssyndrom kann durch eine nicht-invasive Beatmung gut therapiert werden. „Dabei schläft der Patient in der Nacht mit einer Nasen- oder Nasen-Mund-Maske, durch welche er beatmet wird', erklärt PD Dr. Dreher. „Bei regelmäßiger Anwendung kann diese Therapie dem Patienten helfen, dass er sich beim morgendlichen Erwachen vitaler und ausgeruhter fühlt und tagsüber weniger zu Schläfrigkeit tendiert. Dies setzt aber voraus, dass die Therapie auch tatsächlich konsequent durchgeführt wird. Mit der Senkung der erhöhten Kohlendioxidwerte im Blut können sich dann unter anderem auch chronische Beinödeme verringern, welche aufgrund der gefäßerweiternden Wirkung des erhöhten Kohlendioxidgehalts im Blut entstehen.'

Nicht atmen können oder wollen - Die genaue Ursache ist bisher unbekannt

Die Gründe für das Adipositas-Hypoventilationssyndrom (OHS) sind bis dato noch nicht vollständig geklärt. „Neben der fast immer gleichzeitig existierenden, schlafbezogenen Atemstörung gibt es noch zwei weitere Hypothesen, welche möglicherweise erklären können, weshalb einige adipöse Patienten unter OHS leiden: Der Patient ist nicht in der Lage, richtig zu atmen. Oder er will nicht richtig atmen', berichtet Dreher. „Massives Übergewicht erschwert einerseits die Atemtätigkeit, auch die Lungenfunktion verschlechtert sich mit steigendem Body-Mass-Index (BMI). Dies würde erklären, warum der Patient nicht effektiv atmen kann. Andererseits scheint auch die zentrale Atemregulation über das Gehirn bei den Betroffenen in Mitleidenschaft gezogen zu sein. Denn Adipositas kann ebenfalls einen verminderten Atemantrieb hervorrufen: Fettzellen produzieren das Hormon Leptin, das unter anderem die Atmung eigentlich ankurbeln soll. Bei stark Übergewichtigen kommt es aber aufgrund der überaktiven Fettzellen zu einer Überproduktion von Leptin, was in weiterer Folge zu einer Unempfindlichkeit gegenüber dem Hormon (Resistenzbildung) führen kann. Dies hat eine zentrale Atemregulationsstörung bei diesen Patienten zur Folge. Zudem leiden 90 Prozent der Betroffenen mit OHS zusätzlich unter einer obstruktiven Schlafapnoe - das bedeutet, dass ihre Atemwege während des Schlafens immer wieder in sich zusammensacken und zum Kollaps neigen. Dies führt zu wiederholten Atemaussetzern und physiologisch erzwungenen Aufwachreaktionen, sodass die Betroffenen keinen erholsamen Nachtschlaf finden. Ein solcher fragmentierter Schlaf führt ebenfalls zu einem reduzierten Atemantrieb und kann beispielsweise mit einer reinen CPAP-Therapie (aus dem Englischen continuous positive airway pressure) gut behandelt werden.'

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