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Morbus Hodgkin: Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs

Hodgkin-Lymphom: Die Bedeutung der langfristigen Nachsorge

Behandlung des Hodgkin-Lymphoms: Eine Erfolgsgeschichte par excellence

In den vergangenen fünf Jahrzehnten haben sich die Aussichten auf eine Genesung für Patienten mit Hodgkin-Lymphom erheblich verbessert. Mittlerweile können mehr als 90 Prozent der Betroffenen mit einem lokalisierten Hodgkin-Lymphom und über 80 Prozent mit einer fortgeschrittenen Form geheilt werden. 

Dieser Fortschritt wurde vor allem dadurch ermöglicht, dass die Chemotherapie kontinuierlich optimiert und die Strahlentherapie weiterentwickelt wurde: In den 1970er und 1980er Jahren erfolgte die Bestrahlung bei einem Hodgkin-Lymphom meist großflächig. Heutzutage erhalten die Patienten eine kombinierte Radio-Chemotherapie oder in vielen Fällen auch lediglich eine Chemotherapie. Die Strahlentherapie wird nun mit einer niedrigeren Dosis durchgeführt und ist weitestgehend auf die Lymphknoten beschränkt. Auch in der Chemotherapie findet gegenwärtig eine Deeskalation statt: Durch den Austausch einzelner Substanzen wird die Chemotherapie bei gleichbleibender Wirksamkeit besser verträglich. 

Seltene späte Rückfälle

Rezidive treten hauptsächlich in den ersten fünf Jahren nach Therapieabschluss auf. Während dieser Zeit findet eine engmaschige Betreuung statt, die in der Regel vom jeweiligen Behandlungszentrum koordiniert wird. Dadurch kann ein Rezidiv frühzeitig erkannt und häufig erfolgreich therapiert werden. Nur noch selten kommt es nach zehn Jahren zu einem Rückfall des Hodgkin-Lymphoms.

Spätfolgen erkennen: Eine interdisziplinäre Herausforderung

Dank der beachtlichen Therapieerfolge werden zunehmend mehr Patienten mit Hodgkin-Lymphom zu Langzeitüberlebenden dieser Krebserkrankung. Diese erfreuliche Entwicklung stellt jedoch sowohl die Betroffenen als auch die behandelnden Haus- und Fachärzte vor eine neue Aufgabe: Denn gerade dann, wenn das Lymphom etwa fünf bis zehn Jahre nach der Diagnose als besiegt gilt, können Langzeitwirkungen der Behandlung in Erscheinung treten. 

Grundsätzlich kann jedes Organsystem betroffen sein. Im Fokus stehen mögliche unerwünschte Wirkungen am Herzen, hormonelle Dysfunktionen und Infertilität, Nebenwirkungen an der Lunge, die Entstehung von Fatigue sowie ein erhöhtes Risiko für Zweittumore. Junge Patientinnen, die im Brustbereich bestrahlt wurden, haben ein erhöhtes Risiko für Mammakarzinom. Auch die Schilddrüse, der Verdauungstrakt oder das blutbildende und lymphatische System können von Zweitmalignomen betroffen sein. Aufgrund der vielfältigen potenziellen Beschwerden und der diversen Organsysteme, die involviert sein können, ist eine interdisziplinäre Langzeitnachsorge von Vorteil.

Risiko abhängig vom Alter bei Erkrankung und der Therapieintensität

Langzeitfolgen können bei allen ehemaligen Hodgkin-Patienten auftreten - unabhängig davon, wie alt diese bei Therapiebeginn waren. 

Das Risiko für einige Langzeitfolgen ist höher, je jünger ein Patient oder eine Patientin zu Beginn der Therapie war. Dies gilt unter anderem für das Brustkrebsrisiko: Besonders gefährdet sind Frauen, die bei Diagnosestellung unter 30 Jahre alt waren. Des Weiteren stehen Spätfolgen auch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Art und Dosis der verabreichten Therapie. 

Langzeitdaten zu Spätfolgen

Eine Analyse deutscher Langzeitdaten1 von Hodgkin-Patienten, die im Kindes- und Jugendalter behandelt worden waren, verdeutlicht: Das Risiko für kardiale Spätfolgen korreliert stark mit der Verabreichung von herzschädigenden Chemotherapeutika sowie der Strahlendosis für das Mediastinum. Nach 30 Jahren sind bei jedem dritten Betroffenen, der eine hohe Strahlendosis im Bereich des Herzens erhielt, kardiale Spätfolgen zu erwarten. Schilddrüsenfunktionsstörungen, meist in Form einer Hypothyreose, entwickeln sich bei etwa 40 Prozent der Patienten innerhalb von 14 Jahren nach der Behandlung, wenn Schilddrüsengewebe mitbestrahlt wurde. In dieser Studie lag das Risiko für die Entwicklung eines Zweittumors innerhalb von 30 Jahren bei insgesamt 19 Prozent aller Studienteilnehmer. Bei Frauen nach einer Bestrahlung im Brustbereich betrug das kumulative Zweitkrebsrisiko nach 30 Jahren fast 30 Prozent - insbesondere aufgrund des erhöhten Risikos für Brustkrebs. 

Auch für Hodgkin-Erkrankte, die im Erwachsenenalter behandelt wurden, liegen entsprechende Studienergebnisse vor2. Es ist langfristig zu erwarten, dass die Langzeitrisiken sinken werden, da die Hodgkin-Therapie heutzutage immer präziser durchgeführt werden kann.

Jährlicher Gesundheits-Check-up: Ein Leben lang von Vorteil

Eine frühzeitige Behandlung von Spätfolgen soll gesundheitlichen Beeinträchtigungen entgegenwirken. Die Patienten können nachhaltig motiviert werden, Nachsorgetermine auch über die ersten fünf Jahre hinaus zuverlässig wahrzunehmen, indem sie sorgfältig über die potenziellen Langzeitrisiken sowie den Nutzen von Kontrolluntersuchungen aufgeklärt werden.

Die Nachsorge ehemaliger Hodgkin-Patienten sollte ein Leben lang erfolgen. Experten sind der Ansicht, dass ein jährlicher Gesundheits-Check-Up die Basis dafür bildet. Welche Vorsorgeuntersuchungen notwendig sind, muss individuell bestimmt werden. Von Bedeutung ist dabei vor allem, welche Chemotherapie zur Anwendung kam, wo und mit welcher Dosis bestrahlt wurde und wie alt der Patient oder die Patientin bei der Behandlung war. Zusätzlich müssen individuelle Risikofaktoren einbezogen werden. 

Wesentliche Aspekte der Langzeitnachsorge sind unter anderem:

  • detaillierte Anamnese und körperliche Untersuchung
  • Informationen über bzw. Behandlung von Risikofaktoren wie Nikotinkonsum, Übergewicht, Bewegungsmangel, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes und andere
  • Abklärung einer Fatigue-Symptomatik
  • Diagnostik zur Abklärung von Funktionsstörungen der Schilddrüse
  • Diagnostik zur Abklärung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie beispielsweise koronare Herzkrankheit, Herzklappenfehler, Myokardinsuffizienz, Karotisstenose usw.
  • Diagnostik zur Abklärung von Lungenfunktionsstörungen (insbesondere nach Bestrahlung des Mediastinums)
  • Informationen und Beratung über allgemein empfohlene Krebs-Vorsorgeuntersuchungen
  • intensivierte Brustkrebsvorsorge bei Frauen, die bei Diagnosestellung jünger als 30 Jahre waren und im Brustbereich bestrahlt wurden
  • Beratung bezüglich Fertilität und Familienplanung
  • Beratung und Infektionsprophylaxe für Patienten ohne Milzfunktion, zum Beispiel nach Splenektomie oder Milzbestrahlung

Die Therapie einzelner Langzeitnebenwirkungen erfolgt grundsätzlich auf Basis aktueller Empfehlungen - beispielsweise gemäß nationaler Versorgungsleitlinien. 

Empfehlungen der Fachgesellschaften

Leitlinien zur Langzeitnachsorge

Sowohl nationale als auch internationale Fachgesellschaften haben Empfehlungen für die Langzeitnachsorge von Hodgkin-Patienten publiziert. Bisher stützen diese sich hauptsächlich auf Expertenwissen und weichen teilweise voneinander ab. In der entsprechenden Infobox haben wir Leitlinien verschiedener Fachgesellschaften für die Langzeitnachsorge eines Hodgkin-Lymphoms für Sie zusammengestellt. 

Kontinuierliche Anpassung der Empfehlungen erforderlich: Die Empfehlungen für die Langzeitnachsorge müssen immer wieder aktualisiert werden: Denn die Therapie des Hodgkin-Lymphoms schreitet voran. In Zukunft sollen immer individuellere Therapiestrategien nicht nur eine hohe Heilungschance bieten, sondern auch ein immer geringeres Risiko für Langzeitnebenwirkungen. 

Ansprechpartner: Wer ist für die Nachsorge zuständig?

Hausärzte oder betreuende Fachärzte sind oft die ersten Anlaufstellen bei Fragen zur Langzeitnachsorge. Um die Untersuchungen entsprechend dem neuesten Stand der Wissenschaft individuell zu planen und zu koordinieren, kann es nützlich sein, Experten aus dem entsprechenden Fachgebiet zu konsultieren. Vorab sollte geklärt werden, ob die einzelnen Untersuchungen von der Krankenkasse übernommen werden.

Anlaufstelle für die (Langzeit-)Nachsorge von Hodgkin-Erkrankten kann zunächst die Klinik sein, in der der Patient oder die Patientin ursprünglich onkologisch behandelt wurde. Darüber hinaus gibt es immer mehr Zentren, die eine interdisziplinäre Sprechstunde für ehemalige Krebspatienten anbieten. Dies gilt insbesondere für Patienten, die im Kindes- und Jugendalter erkrankt sind. Auch spezielle Survivorship-Sprechstunden für ehemalige Krebspatienten, die bei der Krebsdiagnose bereits im Erwachsenenalter waren, sind vielerorts im Entstehen. In der zugehörigen Infobox haben wir diverse Angebote für die Langzeitnachsorge nach einem Hodgkin-Lymphom für Sie zusammengestellt.

Angebote für die Langzeitnachsorge

  • Die Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) stellt erste Informationen zur Langzeitnachsorge von ehemaligen Patienten mit Hodgkin-Lymphom bereit.
  • Nachsorge-Sprechstunden für Patienten, die in ihrer Kindheit oder Jugend aufgrund einer Krebserkrankung wie dem Hodgkin-Lymphom behandelt wurden, sind ebenfalls auf den GPOH-Seiten zu finden.
  • Die Studienzentrale der Deutschen Hodgkin-Studiengruppe (GHSG) in Köln kann beratend bei der Langzeitnachsorge von Patienten zur Seite stehen, die im Erwachsenenalter wegen eines Hodgkin-Lymphoms behandelt wurden. 
  • Das Angebot der allgemeinen Nachsorge-Sprechstunden richtet sich an all jene, die als Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene an Krebs erkrankt waren. Sie sollten heute mindestens 18 Jahre alt sein und die Krebsbehandlung muss mindestens fünf Jahre zurückliegen. Die Arbeitsgruppe Late Effects Surveillance System, kurz LESS, bietet dazu umfassende Informationen.
  • Die Zentren des Deutschen Konsortiums für Familiären Brust- und Eierstockkrebs sind Ansprechpartner für die intensivierte Brustkrebs-Früherkennung bei Frauen, die als Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene eine Strahlentherapie im Brustbereich erhalten haben. 

Zum Weiterlesen: Vertiefende Informationen und verwendete Quellen

Krebsinformationsdienst: Weiterführende Informationen für Sie und Ihre Patienten

Übersichtsarbeiten und Fachveröffentlichungen (Auswahl)

1 Bröckelmann PJ et al. Late Relapse of Classical Hodgkin Lymphoma: An Analysis of the German Hodgkin Study Group HD7 to HD12 Trials. J Clin Oncol. 2017 May 1;35(13):1444-1450. doi: 10.1200/JCO.2016.71.3289.

2 Núñez-García B, Clemente MB, Sánchez JC, Royuela A, Ibargüen BCS, Méndez M, López-Ibor JV, Martínez M, Traseira C, Garitaonaindia Y et al. Long-term outcomes in Hodgkin lymphoma survivors. Temporary trends and comparison with general population. Hematol Oncol. 2023 Aug;41(3):407-414. doi: 10.1002/hon.3131.

Bari A, Gerardi C, Allocati E, Puzzovivo A, De Sanctis V, Tucci A, Balzarotti M, Franceschetti S, Merli F, Guarini A et al. Clinical Management of Long-Term Survivors after Classical Hodgkin Lymphoma and Diffuse Large B-Cell Lymphoma. Cancers (Basel). 2022 Dec 2;14(23):5960. doi: 10.3390/cancers14235960. 

Kahn JM, Mauz-Korholz C, Hernandez T, Milgrom SA, Castellino SM. Pediatric and Adolescent Hodgkin Lymphoma: Paving the Way for Standards of Care and Shared Decision Making. Am Soc Clin Oncol Educ Book. 2024 Jun;44(3):e432420. doi: 10.1200/EDBK_432420. 

Ke Y, Zhou H, Chan RJ, Chan A. Decision aids for cancer survivors' engagement with survivorship care services after primary treatment: a systematic review. J Cancer Surviv. 2024 Apr;18(2):288-317. doi: 10.1007/s11764-022-01230-y.

Kreissl S, Müller H, Goergen H, Meissner J, Topp M, Sökler M, Markova J, Bernhard J, Greil R, von Tresckow B et al. Health-Related Quality of Life in Patients With Hodgkin Lymphoma: A Longitudinal Analysis of the German Hodgkin Study Group. J Clin Oncol. 2020 Sep 1;38(25):2839-2848. doi: 10.1200/JCO.19.03160.

Kreissl S, Goergen H, Müller H, Meissner J, Mehnert A, Bürkle C, Fuchs M, Engert A, Behringer K, Borchmann P. Survivors' perspectives on risks and benefits of Hodgkin lymphoma treatment: results of a survey by the German Hodgkin Study Group. Leuk Lymphoma. 2019 Jun;60(6):1389-1398. doi:10.1080/10428194.2018.1540781.

Milgrom SA, Bakst RL, Campbell BA. Clinical Outcomes Confirm Conjecture: Modern Radiation Therapy Reduces the Risk of Late Toxicity in Survivors of Hodgkin Lymphoma. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2021 Nov 15;111(4):841-850. doi: 10.1016/j.ijrobp.2021.06.030. 

Parsons MW, Rock C, Chipman JJ, Shah HR, Hu B, Stephens DM, Tao R, Tward TD, Gaffney DK. Secondary malignancies in non-Hodgkin lymphoma survivors: 40 years of follow-up assessed by treatment modality. Cancer Med. 2023 Feb;12(3):2624-2636.

Rick TJ, Sagaram S, Jewett PI, Lee HY, Sadak KT, Turcotte LM, Vogel RI, Blaes A. A pilot randomized controlled trial of an online intervention for Hodgkin lymphoma survivors to increase knowledge about late effects and recommended screening. J Cancer Surviv. 2024 Apr 20. doi: 10.1007/s11764-024-01587-2. 

Salvino MA, Domingo-Domènech E, Sureda A. The importance of secondary cancer screening programs in Hodgkin lymphoma survivors. Haematologica. 2024 Jul 4. doi: 10.3324/haematol.2023.284609. 

Stepanishyna Y, Meunier F, Bron D. Survivorship after Hodgkin lymphoma and the right to be forgotten. Curr Opin Oncol. 2024 Jun 25. doi: 10.1097/CCO.0000000000001072. 

Wang L, Zheng Y, Luo R, Kang K, Niedermann G, Zhao A, Wu Y. Lifetime risks of second primary malignancies after pediatric Hodgkin lymphoma and non-Hodgkin lymphoma. J Cancer Res Clin Oncol. 2024 Jan 27;150(2):41. doi: 10.1007/s00432-023-05583-4.